Eine musikalische Expedition der faszinierenden Art. Im September 2003 reiste das Taj Mahal Trio auf die ostafrikanische Zauberinsel Zanzibar, um dort in einer musikalischen Begegnung das international renommierte Taarab-Orchester Culture Musical Club of Zanzibar zu treffen. Es entwickelte sich eine der bemerkenswertesten kreativen Begegnungen in der langen und ereignisreichen Karriere des Worldblues-Pioniers Taj Mahal. Dies war mehr als nur eine weitere Station auf der lebenslangen Reise dieses Künstlers auf der Suche nach den spirituellen Wurzeln der Musik. Taj Mahal und der Culture Musical Club schufen etwas aufregend Neues – beseelte pan-afrikanische Musik der besonderen Art. Afroblues meets Taarab
Taj Mahal goes Zanzibar. Schon nach den ersten Takten des gefühlvollen Openers “Dhow Countries” wird deutlich: die musikalische Expedition auf diese von Sehnsuchtsfantasien umrankte orientalische Märcheninsel vor der ostafrikanischen Küste hat den US-Worldblues-Veteranen tief beeindruckt und gefangen genommen. Taj Mahal’s Beschreibung einer Abendstimmung auf Zanzibar ist sanft und fast meditativ, ein Blues in Moll voller Gefühl. Untermalt wird er von den Klängen des Culture Musical Club of Zanzibar, dem seit vielen Jahren bedeutendsten Taarab-Orchester der Insel.
„Muhoga wa jang’ombe“ – schon Track 2 des Albums präsentiert den Culture Musical Club auf prägnante Art und Weise. Taarab-Musik aus Zanzibar: das ist ein Universum, in dem sich die musikalischen Kulturen Arabiens, Afrikas und Asiens ganz individuell verbinden – ein Klang ohne Entsprechung. Die verschiedenen Abteilungen des Orchesters spiegeln dabei die wechselvolle Kultur- und Sozialgeschichte der Insel wieder: Es dominieren die Instrumente des arabischen Kulturkreises: qanun (Zither), oud (arabische Laute), nai (Flöte) und Violinen. Speziell letztere verweisen sowohl auf die Traditionen ägyptischer firqah-Filmorchester als auch auf die klassischen Musiktraditionen des Westens und Indiens. Akkordeons und Kontrabass ergänzen die instrumentale Palette des Ensembles. Die Percussions-Abteilung besteht vorwiegend aus Dumbak und Bongos, dazu kommen die Solo- und Chor-Stimmen der Sängerinnen und Sänger. Der Culture Musical Club ist essentiell wichtig für das kulturelle und gesellschaftliche Leben Zanzibars, eine Art „Nationalorchester“ und Begründer des zeitgenössischen Zanzibar-Taarab. Dazu fördern die Aktivitäten des Ensembles reale zwischenmenschliche Begegnungen. Musik und sozialer Kontakt gehen in ihrem konkreten Umfeld Hand in Hand.
Das zugereiste afroamerikanische Trio bestehend aus Taj Mahal (Gesang, Gitarre, Banjo) und seinen alten Freunden Bill Rich (E-Bass) und Kester Smith (Drums) tauchte also in eine Kultur ein, die – ganz im Gegensatz zur weitgehend kommerzialisierten Musikkultur des Westens – eine ausgeprochen soziale Prägung aufweist. Bis heute spielt das Orchester beispielsweise eine zentrale Rolle bei den aufwändigen Hochzeitsfeiern auf Zanzibar. Soziale Funktionen dieser Art findet man auch in der Geschichte des Blues zuhauf – dennoch ist es ein fürwahr weiter Weg von den Juke Joints von Mississippi und Clubs von Chicago bis nach Zanzibar. Umso beeindruckender die musikalische Intensität des Brückenschlags, den Taj Mahal hier vollzieht. Er bringt „seinen“ Blues – und mit ihm auch das im Ursprung afrikanische Banjo – auf die Sehnsuchts-Inseln im Indischen Ozean. Ein Ort, dessen schillerndes musikalisches Spektrum noch immer nicht erschlossen scheint.
Zu den einheimischen Mitstreitern zählen auch lokale Berühmtheiten. Die auf zwei der Tracks zu hörende Sängerin Bikidude ist eine Art Nationalheilige Zanzibars. Sie ist mittlerweile in den Neunzigern und gilt als die berühmteste musikalische Botschafterin der Insel. Der Bikidude-Mythos beruht dabei auf einem Zusammenspiel verschiedener biographischer Faktoren. Mit dreizehn floh sie aus einer erzwungenen Ehe und damit aus ihrer Heimat. Sie durchquerte barfuß Tanzania, entfloh dort abermals einer Ehe und reiste mit einem traditionellen dhow, einem Segelboot, nach Ägypten. Dort wurde sie in den dreißiger Jahren Sängerin. Sie legte ihren Schleier ab und rasierte sich den Kopf – ein äußerliches Symbol weiblicher Befreiung vom islamischen Rollenverständnis. Bikidude schuf einen Gegenentwurf zur traditionellen Rolle einer muslimischen Frau: sie trank, rauchte, flirtete, tanzte und sie musizierte.
Auch mit über sechzig ist Taj Mahal rastlos wie eh und je. Mehr als vierzig Jahre dauert seine Karriere in den rauen Gewässern des Musikgeschäfts mittlerweile an, seit mehr als 35 Jahren nimmt er Platten auf. Mehr als drei Dutzend sind es mittlerweile geworden. “In the end, ultimately, the music plays you, you don’t play the music.” Das Bekenntnis Mahals wird auch bei diesem neuen Projekt für Hörer erfahrbar, denn wiederum ist Mahal Ausführender und Empfangender zugleich. Die Geister der afrikanischen Ahnen greifen also spürbar in das Geschehen ein, denn das Terrain, auf dem sich die Musiker gemeinsam bewegen, ist nicht zuletzt ein spirituelles. Selbst eine so weltliche Nummer wie “Catfish Blues” profitiert von diesem Einklang der Seelen. Noch deutlicher wird dies bei “Naahidi Kulienzi”, einem Duett von Mahal mit der Stimme von Makame Faki.
Gelegentlich wird bei aller Faszination aber auch die Suche der Musiker nach dem wahrhaftigen Moment gemeinsamer Erfahrung hörbar. Auch das gerät zu einem integralen Moment dieser authentischen musikalischen Begegnung. Wenn sich Mahal’s Banjo und die Violinen des Orchesters auf eine spannende Reise durch die Pentatonik des Blues begeben („M’Banjo“), wird man Zeuge eines Prozesses gemeinsamer Sprachfindung. TAJ MAHAL MEETS THE CULTURE MUSICAL CLUB OF ZANZIBAR – das ist nicht mehr und nicht weniger als ein weiteres faszinierendes „pan-afrikanisches“ Kapitel in der langen Karriere von Taj Mahal. Es wird wohl nicht das letzte sein. Die Reise geht weiter.