Never change a winning team – unter dieses Motto kann das vierte Album von Tri-Continental aus Kanada gestellt werden, denn erneut luden Bill Bourne, Lester Quitzau und Madagaskar Slim den indischen Perkussionsten Ramseh Shotham zu einer Aufnahmesession nach Bremen ein. Das Besondere dabei: Tri-Continental spielten live im Studio für eine kleine Schar von Freunden und Fans. Dass die bei dieser Gelegenheit eingefangene Performance dabei die Vitalität eines Tri-Continental-Konzertes aufweist, überrascht nicht. Wer das Trio kennt, der weiß: diese Gitarristen, Sänger und Songwriter sind vor allem live in ihrem Element. Das Repertoire: ein Mix aus neuen Songs und Cover-Versionen einflußreicher Autoren wie Son House, Bob Marley und Jimi Hendrix: Ein atmosphärisch dichtes Album voller Spielfreude – Tri-Continental pur.
„Never change a winning team“ – diese Weisheit aus der Welt des Sports könnte auch als Motto für das vierte Album von Tri-Continental gelten. Schon ihr Vorgänger-Album “Let’s Play” nahm das Trio in Deutschland auf und erneut luden die Kanadier jetzt den in Köln lebenden indischen Perkussionisten Ramesh Shotham ein, bei neuen Aufnahmen mitzuwirken. Nach seinen Gastrollen bei Künstlern und Ensembles wie dem Karnataka College of Percussion, Dissidenten, Embryo, Carla Bley und Rabi Abou-Khalil ist Ramesh Shotham nun also auch Stammgast bei Lester Quitzau, Bill Bourne und Madagaskar Slim. Nichts Neues also bei Tri-Continental? Keinesfalls.
“DRIFTING” – diese Standardvokabel der Blueswelt sollte hier keinesfalls als Synonym für Unentschlossenheit gelten. Tri-Continental hatten sich im Gegenteil für ihre vierte TRADITION & MODERNE-Veröffentlichung etwas ganz Besonderes überlegt: man lud eine Anzahl Freunde und Fans in das Bremer Alien Style Studio ein und spielte an einem Abend unter Live-Bedingungen neun Tracks ein, auf denen die Direktheit und Spontaneität einer Live-Performance mit den exzellenten technischen Bedingungen eines professionellen Tonstudios verknüpft wurde. “Live in the Studio” heißt in diesem Fall also durchaus mehr als nur “Musik in Echtzeit aufgenommen”. Das unmittelbar entstandene Gefühl von Entspanntheit und Spielfreude sollte sich relativ mühelos auf den Hörer dieser CD übertragen. Denn nicht nur die vier Akteure waren an diesem Abend in bester Spiellaune, auch das anwesende Publikum konnte sich über einen besonderen Abend mit neuer Musik von Tri-Continental freuen.
Das demokratische Prinzip innerhalb der Band greift auch bei DRIFTING wieder auf vorzügliche Art und Weise: jeweils zwei neue Songs aus der Feder von Bourne und Quitzau wurden eingespielt, dazu ein Original von Slim und vier Cover-Versionen, die die große Liebe der Kanadier zu ihren Einflüssen und Vorbildern belegen. In diesem Falle sind es vor allem Son House, Bob Marley, Willie Dixon, Jimmy Reed, Miles Davis und Jimi Hendrix. Doch der Reihe nach:
DRIFTING beginnt mit einem neuen Song von Bill Bourne: “Blue Bird”, eine für ihn typische Folkballade mit markanten Vocals und verführerischer Melodie, eingerahmt von den E-Gitarren seiner beiden Kollegen. Danach Lester Quitzau’s Adaption eines Country Blues-Klassikers von Son House: “Grinning in Your Face”. Das neue Arrangement gibt dem Slide-Experten aus Edmonton ausgiebig Gelegenheit, seine Meisterschaft in der Kombination eines sparsamen Grooves mit gezielt eingeworfenen Slide-Licks zu demonstrieren. Es folgt ein Feature für Madagaskar Slim: “Salama”, ein Original von Slim im typischen malegassy Stil mit perlenden Fingerpicking-Läufen und einem unwiderstehlich treibenden Groove. Durchaus tanzbar und gekennzeichnet von der großen Meisterschaft der drei Gitarristen, ihre verschiedenen Stil- und Spielarten zu einem Geflecht zusammenzufügen, dessen Atem völlig organisch und unangestrengt ist.
Mit dem “T-Bone Shuffle” folgt eine R & B/Blues-Nummer, die ebenfalls auf der “up”-Seite der Stimmungsskala angesiedelt ist. Eine Fülle von Blues-Licks und Soli wird völlig entspannt in das musikalische Geschehen eingebracht und Ramesh Shotham erweist sich auch in der Rolle des “timekeeper” als solides Fundament. Eine Stippvisite in dem an Klassikern reichen Repertoire von Bob Marley dann: “One Love” , hier einmal herausgelöst aus den rhythmischen Strickmustern des Reggae und sanft hineingeleitet in ein melodiöses Bett aus akustischen und elektrischen Gitarren. Es ist noch immer eine der großen Stärken von Tri-Continental, sich fremdes Material auf ganz individuelle Art zu Eigen zu machen ohne den ursprünglichen Geist eines Songs zu verraten. Dass sie auch exzellente und hellwache Improvisatoren sind, beweisen die Kanadier auf Quitzau’s “Gumbo Nr. 1”, einem Instrumental mit viel Zeit. Die Welten von Blues, Jazz, und Weltmusik treffen sich dabei auf sehr individuelle Art und Weise: ein langes Slide-Intro führt in ein hypnotisch-melodiöses Gitarrenlick, das dann durch verschiedene Akkord- und Tempiwechsel geführt wird, bevor es in eine ausgedehnte Kollektivimprovisation mündet. Diese führt nach angemessener Zeit wiederum an die musikalische Ausgangsposition des Stücks zurück.
Willie Dixon’s “Big Boss Man” schließt sich an, doch Tri-Continental wären nicht Tri-Continental, wenn sie es bei bloßer Repetition alter Chicago Blues-Muster beließen. Allein schon die indische Perkussion von Shotham verleiht diesem Klassiker des elektrischen Blues eine Aura des Ungewöhnlichen, wenngleich das klassische Gitarrenriff von Jimmy Reed dem Song nicht genommen wird. Ein zweites Original von Bill Bourne schließt sich an: “The Gift”. Über einem transparenten Klangteppich aus Gitarren und Percussion erzählt Bourne eine dunkle Geschichte von suggestiver Kraft und magischer Anziehungskraft.
Ein weiterer Geniestreich dann am Ende des Albums: die Zusammenführung von Miles Davis und Jimi Hendrix. Dass Miles und Hendrix zusammenarbeiten wollten, ist bekannt. Dazu konnte es aufgrund des frühen Todes des Gitarrengenies nicht mehr kommen. Tri-Continental bringen nun den Hendrix-Song “Room Full of Mirrors” mit der Aura von Miles’ 80er-Jahre-Klassiker “Tutu” zusammen und erbringen in nur zehn Minuten den Beweis, dass die Welten der beiden Musiklegenden näher beisammen lagen als manch einer noch heute glauben möchte.
Trotz der breiten stilistischen Palette ist DRIFTING als Ganzes betrachtet ein Album von großer Geschlossenheit und enormer atmosphärischer Dichte geworden. So wie man es von Tri-Continental nicht anders gewohnt ist. Das Experiment ist also gelungen. Der entspannte Abend mit neuer Musik für Freunde und Fans wurde zu einem Ereignis. Nachzuhören und nachzuerleben jetzt für alle. Never change a winning team, indeed.