Mit der ersten Produktion für T & M meldet sich Irlands führende Vokalstilistin auch für ihre kontinentaleuropäischen Fans zurück. Mary Coughlan singt hier handverlesene Songs aus Jazz, Blues und Pop — alles auf ihre typische Art: Würdevoll und emotional, verführerisch und lässig. Unterstützt von einer Gruppe erfahrener Musiker um den Pianisten Peter O’Brien, ist die Irin nach Überwindung persönliche Probleme heute wieder voll da und auch die Mitwirkung von Tri-Continental sorgt auf RED BLUES für frischen Wind. Mary Coughlan ist nach ihren Erfolgen als Billie Holiday-Interpretin wieder dort angelangt, wo sie hingehört: in einer Kategorie für sich mit einem Repertoire zwischen „Pull Up To The Bumper“ und „Strange Fruit“. Eine unverwechselbare Stimme, ein Album voller Abwechslung und Atmosphäre
IStart the motor — shut the motor off…“ singt Mary Coughlan in ihrer typisch lässigen Art im Refrain von „Portland“, einem der neuen Songs ihrer CD RED BLUES. Eine Zeile, die im übertragenen Sinne durchaus auch auf die Starts und Stops der Karriere dieser unverwechselbaren Stimme aus Irland zutrifft, denn die mit ihrer Musik eng verzahnte Vita von Mary Coughlan ist geprägt von lichten Höhen und bitteren Tiefen. RED BLUES ist ihr erstes Album für TRADITION & MODERNE und ein weiteres Kapitel im zweiten Akt ihrer künstlerische Laufbahn. Der erste Akt dieser Karriere wurde vor einigen Jahren mit einem Zusammenbruch und einem Alkoholentzug jäh beendet. Seit dem Jahr 1993 und dem Album AFTER THE FALL (1997) ist Mary Coughlan jedoch clean, trocken und wieder auf dem Gleis. Heute singt sie so gut wie zu Zeiten ihrer klassischen ersten Alben TIRED AND EMOTIONAL und UNDER THE INFLUENCE aus den achtziger Jahren. Hört man diese ersten Alben heute wieder, klingt ihre Stimme auch heute wieder so verführerisch wie zu den Zeiten dieses ersten Erfolgs. Es waren diese Alben, mit denen die temperamentvolle Sängerin aus Galway an die Spitze der irischen Musikszene katapultiert wurde.
ZUR PERSON
Mary Coughlan ist heute 46 Jahre alt und hat eine Menge vom Leben gesehen. Falls das Klischee der besonders intensiven Lebensnähe von Blues- und Jazz-Interpreten wirklich zutrifft, dann ist Mary Coughlan heute wahrscheinlich eine noch überzeugendere Künstlerin als zu Anfang ihrer Karriere. Denn wer wie die Coughlan einmal wirklich am Boden war, der weiß, wie man den Nerv eines Publikums trifft. Die Songs auf RED BLUES treffen diesen Nerv wieder auf besondere Art und Weise.
Einige der neuen Songs auf RED BLUES hat Mary Coughlan schon früher gesungen, einige sind neu in ihrem Repertoire. Allen diesen Songvorlagen ist eines gemein: sie werden von dieser irischen Stimme mit der gewohnten Mischung aus Würde, Gefühl, Ehrlichkeit und Intensität interpretiert. Mary Coughlan ist eine Künstlerin, die sich ihre zum Teil berühmten Songvorlagen immer wieder auf überzeugende Art und Weise zu eigen macht. Nicht viele Interpreten können eine Version von „Strange Fruit“ a cappella singen – ohne dabei die klassische Vorlage von Billie Holiday zu evozieren.
„Strange Fruit“ steht am Ende von RED BLUES, doch der Name von Billie Holiday zieht sich nicht nur in punkto Repertoire wie ein roter Faden durch die Karriere der Frau aus dem westirischen Galway. Nicht zuletzt waren es die orchestralen Holiday-Abende vor ihrem einheimischen und auch einem britischen Publikum, mit denen die entscheidenden Marksteine zur kreativen Rehabilitation der rebellischen Irin gesetzt wurden. Doch Lady Day starb bereits 1959 im Alter von nur 44 Jahren. Mary Coughlan ist dagegen ziemlich lebendig, auch wenn es eine Zeit lang nicht so aussah, als ob sie das Alter ihres Vorbilds erreichen sollte.
DAS ALBUM:
RED BLUES wurde an nur vier Tagen in Bremen eingespielt unter Mitwirkung von Mary’s Hauspianist Peter O’Brien, dem Londoner Saxophonisten Frank Mead (Tenor-, Alt- und Sopransaxophon), der zur aktuellen Tourband von Bill Wyman gehört, sowie der US-Rhythmusgruppe Bill Rich (Bass) und Kester Smith (Drums) — beide bekannt aus dem Umfeld von Taj Mahal. An einem Tag konnte man auch auf die drei kanadischen Saitenzauberer der Gruppe Tri-Continental zurückgreifen. Bill Bourne, Lester Quitzau und Madagascar Slim waren anläßlich einer Europa-Tour in Bremen und sorgten mit ihrem Beitrag für mehr Saitenbewegungen als auf den meisten anderen Coughlan-Alben zusammen genommen. T & M-Chefin Petra Hanisch produzierte und konnte mit diesem Projekt wieder einmal eine Künstlerin, die zuvor beim Bremer Festival „Women in (E)Motion“ gastiert hatte, auch für ihr Label verpflichten. Nach den Alben AFTER THE FALL und dem mit ex-Tom Waits-Mitstreiter Greg Cohen in New York produzierten LONG HONEYMOON ist dies also die dritte Studioproduktion nach der Rückkehr von Mary Coughlan.
DIE SONGS:
Mary Coughlan singt auf RED BLUES wieder Songs aus unterschiedlichen Genres — Blues, Jazz, Soul, Pop. Der Opener „Ain’t No Love in the Heart of the City“ ist einer der späteren Soul-Klassiker von Bobby „Blue“ Bland aus den siebziger Jahren und „Blue Light Boogie“ kommt aus dem Repertoire von Jump Blues-Pionier Louis Jordan. Randy Newman’s „You Can Leave Your Hat On“ wird endlich — incl. Tausch der Geschlechter-Perspektive – der brachialen Cocker-Domäne entrissen und in einen intimeren musikalischen Rahmen gestellt. Ohnehin ist es ja kein Geheimnis, dass die Coughlan gern auch in überraschende Repertoirebereiche geht. Paradebeispiel dafür hier: „Pull Up To The Bumper“ — die sexy Clubhymne von Grace Jones. „Portland“ wurde geschrieben von Bill Bourne, dem Folk-Blueser von Tri-Continental. Mit „At Last“ und „I’d Rather Go Blind“ sind gleich zwei Klassiker aus dem Chess-Repertoire von Etta James vertreten, und auch Peggy Lee’s unverwüstliches „Black Coffee“ wird von der Coughlan entstaubt. Mit „She’s Got A Way With Men“ unternimmt die Irin dann noch einen weiteren Rollentausch, denn das Original dieses Songs („He’s Got A Way With Women“) stammt vom Western Swing/Honky Tonk-Haudegen Hank Thompson. Zwei „all-time greats“ stehen am Schluß von RED BLUES. Das durch Frank Sinatra unsterblich gemachte „One For My Baby“ und Billie Holiday’s „Strange Fruit“.
Das Ergebnis ist ein weiteres exzellentes Album von Mary Coughlan. Noch immer ist sie die prominenteste Blues- und Jazzstilistin Irlands und RED BLUES belegt die These, daß ein Plus an Lebensintensität auch für ein Plus an musikalischer Intensität sorgen kann. Wie sagt Mary Coughlan selbst: „Es hätte schlimmer kommen können. Wenn ich jetzt tot wäre, würdet Ihr nicht mehr über mich schreiben wollen.“ Ihr robuster Humor ist also noch intakt. Die Coughlan hat sich nicht geändert — oder doch? Bei Licht betrachtet, ist sie wohl älter, klüger und härter geworden. Sie weiß natürlich, was sie an ihrer Stimme hat — doch sieht sich selbst ohne Eitelkeit. Sie bereut ihre Offenheit gegenüber der Öffentlichkeit nicht: „Nur für deine Lügen zahlst du einen Preis, nicht für Ehrlichkeit. Ich habe viel gelernt und alles in meine Musik reingepackt, damit auch andere Leute davon lernen können. Das ist wichtig, sonst denken diejenigen mit den Problemen, daß sie die einzigen sind.“
Ehrliche Worte einer integren Künstlerin, die weiß wovon sie spricht. RED BLUES ist das neue Album von Mary Coughlan — jetzt erschienen auf TRADITION & MODERNE